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Fehlt´s am Winde, so greif´zum Ruder. (Sprichwort)

Linie 96, 2009

Der alte Landkreis Teltow reichte im Süden über die Städte Trebbin, Zossen, Mittenwalde und Teupitz hinaus. Im Norden stieß er an die Havel und an die Spree bei Spandau und weiter östlich an die Städte Charlottenburg und Berlin. Schöneberg und Rixdorf (heute Neukölln) gehörten bis Ende des 19. Jahrhunderts dazu, Wilmersdorf bis 1907. Die Orte südlich von Schöneberg, Tempelhof und Köpenick (einschließlich) bis zur heutigen südlichen Stadtgrenze waren bis 1920 Teil des Kreises Teltow.

Die Kreisstadt Teltow lag zwischen der Berlin-Potsdam-Magdeburger Eisenbahn (Stammbahn) und der Anhalter Bahn. Da eine Anbindung an das preußische Eisenbahnnetz nicht vorgesehen war, setzten sich 1887 die Grundeigentümer von Seehof für eine Straßenbahnverbindung zum Bahnhof Groß-Lichterfelde ein. Max Sabersky, der Gutsbesitzer von Seehof, der Mediziner Albert Stryck sowie der Bürgermeister von Teltow und der Gutsbesitzer von Schönow gründeten die „Aktiengesellschaft Dampfstraßenbahn Groß-Lichterfelde (Anhalter Bahnhof) - Seehof - Teltow”.

Am 1. Juli 1888 wurde die 5,2 Kilometer lange eingleisige Strecke vom Bahnhof Groß-Lichterfelde (heute Lichterfelde-Ost) über Seehof nach Teltow in Betrieb genommen. Täglich gab es 15 Verbindungen. Die Fahrzeit betrug 30 Minuten. Zwei Jahre später wurde die Linie am 01. Juni 1891 um 3,4 Kilometer bis nach Stahnsdorf verlängert. Der Ausflugsverkehr zur Schleuse Kleinmachnow am Teltowkanal führte dazu, dass die Strecke am 15. Oktober 1905 um weitere 1,4 Kilometer bis an die Südseite der Machnower Schleuse erweitert wurde.

Am 1. April 1906 übernahm der Kreis Teltow die bisher privat betriebene Straßenbahnlinie. Zum 30. März 1907 wurde die Dampfstraßenbahn durch elektrische Straßenbahnen von Siemens & Halske ersetzt. Der Plan von 1911, eine Strecke vom Bahnhof Zehlendorf über die Machnower Straße und den Zehlendorfer Damm sowie vom Bhf. Zehlendorf zum Ruhlsdorfer Platz in Teltow mit Anschluss an das bestehende Netz der „Teltower Kreisbahnen“ zu bauen, wurde nicht realisiert.

Mit der Bildung von Groß-Berlin erfolgte im April 1921 die Übernahme der „Teltower Kreisbahnen“ durch den „Regiebetrieb“ Berliner Straßenbahn (BST), ab September 1923 Berliner Straßenbahn Betriebs G.m.b.H. und ab 1.1.1929 durch die BVG. Die Linie von Lichterfelde über Seehof, Teltow und Stahnsdorf zur Machnower Schleuse erhielt zunächst die Bezeichnung „Z“ bzw. „100“. Im Jahre 1930 kam es durch die Verknüpfung der bereits bestehenden Linie 96 mit der Linie 100 am heutigen Bhf Lichterfelde Ost zur neuen, nunmehr verlängerten und bis heute bekannten Linie 96. Von der Machnower Schleuse fuhr die Straßenbahn über Stahnsdorf, Teltow, Seehof, Lichterfelde und Tempelhof bis zur Behrenstraße.

Nach Kriegsende konnte die Linie 96 den Betrieb am 24. Januar 1946 wieder aufnehmen fuhr aber ab dieser Zeit nur noch bis Tempelhof. Zur Zeit der Blockade der Berliner Westsektoren durch die Sowjetunion vom 24. Juni 1948 bis 12. Mai 1949 verband die Linie 96 weiter den amerikanischen Sektor von Berlin mit der sowjetischen Besatzungszone (SBZ) Kleinmachnow, Stahnsdorf und Teltow. An der Grenze bei Lichterfelde-Süd (Lindenstraße) wechselten die Schaffner.

Nach Zwischenfällen in der Sowjetischen Besatzungszone setzte die BVG-West ihr Personal ab 14. Oktober 1950 nur noch bis zur Sektorengrenze ein. In der Folge wurde die Strecke Seehof-Schleuse ab 21. Dezember 1950 durch die BVG-Ost betrieben. An der Grenze zwischen Ost und West mussten Reisende die Straßenbahn wechseln.

Mit dem Mauerbau am 13. August 1961 und dem Bau der Grenzanlagen wurde der durchgehende Verkehr von Kleinmachnow über Teltow nach Lichterfelde unterbrochen. Ein Betrieb auf der Reststrecke zwischen Seehof und Schleuse wurde durch Omnibusse übernommen. Der Straßenbahnbetrieb war am 31. Oktober 1961 eingestellt worden. Die Fahrzeuge wurden von der BVG-Ost zurück geholt. Die Oberleitung und teilweise die Schienen wurden demontiert.

Über viele Jahrzehnte waren Kleinmachnow, Stahnsdorf und Teltow durch die Linie 96 mit Lichterfelde und der Berliner Stadtmitte verbunden. Der bisher an der Potsdamer Straße in Teltow ausgestellte Straßenbahnwagen der Linie 96 erhält einen neuen Platz an der Südseite der Kleinmachnower Schleuse – in unmittelbarer Nähe der früheren Endhaltestelle „Machnower Schleuse“. Der Straßenbahnwagen aus dem Jahre 1936 wird zukünftig als Informationszentrum der Heimatvereine Kleinmachnow, Stahnsdorf und Teltow genutzt. Mit dieser Einrichtung wird 48 Jahre nach dem Bau und 20 Jahre nach dem Fall der Mauer an einen Aspekt der regionalen Verkehrsgeschichte erinnert.